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Wie es mal anfing


Imkerei in der dritten Generation: Bereits der Großvater Adolf Runge bewirtschaftete einen Bienenstand in Schlesien. Das Foto ist das einzige verbliebene Zeugnis und zeigt ihn in seinem Garten, an einem Bahndamm gelegen. Dieser Garten gehörte zu der Dienstwohnung, die ihm als Stellwerksmeister bei der Reichsbahn zur Verfügung stand. In den mageren Kriegsjahren verhalfen die Bienen der Familie zu manchen Vorzügen. Meine Mutter schwärmte ihr Leben lang von den Kindheitserlebnissen mit den Bienen, z. B. vom Auskauen des Entdecklungswachses bei der Honigschleuderung.

Das Ende des Krieges war auch das Ende des Bienenstandes. Russische Soldaten bedienten sich recht unfachmännisch an den Honigwaben. Sie rissen die Völker auseinander, nahmen die Honigwaben und verbrannten den Rest. Die Verteidigungsbereitschaft der Bienen hatte den Tieren nichts genutzt.


Die Flucht aus Schlesien endete für die Familie in Ochtmannien, einer kleinen Bauernschaft Nähe Syke bei Bremen. Unter der Anleitung des Großvaters begann der Vater Gerhard Schmidt erneut mit der Bienenhaltung. Das erste Volk wurde von einem Imker in Fallingbostel samt Beute gekauft und mit dem Fahrrad des Nachts nach Ochtmanien transportiert. Mangels Zucker zur Auffütterung überlebte das Volk den ersten Winter nur Dank einer ausgiebigen Spättracht aus Sommerraps und Senf, die der Vater dem Volk ließ.

1955 siedelte die Familie nach Bremen über und pachtete sofort einen Kleingarten für die Bienen in der Nähe der Wohnung. Dieser Bienenstand im Kleingartengebiet Tannenberg existiert noch heute und ist die Keimzelle unserer Imkerei. Gerhard Schmidt betrieb die Imkerei bis ins hohe Alter und versorgte einen treuen Kundenstamm mit seinem Honig. Vom Honiggeld wurde auch der erste Fernseher angeschafft.


Der Bienenbändiger aus diesem Bild wuchs mit den Bienen auf, erinnert sich in seiner Kindheit aber nur an schmerzhafte Begegnungen mit den Tieren bei den fast täglichen Zwangsaufenthalten im Garten der Eltern. Der Wunsch nach eigenen Bienen entwickelte sich erst spät. Ein eigener Garten wurde gepachtet und die ersten Bienenkästen im Selbstbau hergestellt.

Viele Ratschläge des Vaters wurden zunächst in den Wind geschrieben: Die selbst gebauten Kisten wurden von Ameisen zerfressen. Die Anschaffung von Segeberger Beuten wäre gleich die bessere Lösung gewesen.

Im Laufe der Zeit wuchs der eigene Völkerbestand bis heute auf 100 Kolonien an. Sie bilden die Grundlage für unsere Bremer Berufsimkerei.





Anekdote

Einer der vielen Gartenbesuche bescherte gleich vier Stiche im Kopf. Die Bienen waren früher einfach agressiver. Das Gesicht schwoll und schwoll, die Augen ließen sich kaum noch öffnen. "Ein Gutes hat es ja", dachte ich in kindlicher Hoffnung. "Morgen fällt für mich die Schule aus!"
Doch weit gefehlt: Brav trabte ich wie angeordnet zur Schule. "Oh, there is a new face", frohlockte der Englischlehrer. "Ching, chang, chong", war die Antwort.

Einige Jahre später wollte ich den ersten Nutzen aus der Bienenhaltung ziehen: Der angekündigte Aufsatz in der Schule konnte nur zu einer Verschlechterung des bis dahin wider Erwarten recht guten Notendurchschnittes führen. Ein guter Grund, die Arbeit nicht mitzuschreiben, musste gefunden werden. Ganz klar: Dicke Hand - kein Schreiben!

Im Garten war die Überwindung, die Biene von der Goldrutenblüte zu fangen, riesengroß und dauerte bestimmt eine Viertelstunde. In der Hand wurde das Tier gerollt und gequetscht - es wollte einfach nicht stechen! Endlich kam der gefürchtete, aber erhoffte Schmerz und der Stachel wurde herausgezogen. In Erwartung der dicksten Schwellung, die die Welt je gesehen hatte, trabte ich nach Hause und war mir sicher, diesmal einen akzeptablen Schnitt in Deutsch ins Zeugnis zu bekommen.

Der nächste Morgen war ernüchternd: Die Hand kaum geschwollen, etwas steif, aber wahrlich kein Grund, nicht schreiben zu können. verdammte Immunität! Auf Bienengift reagierte ich Dank der zahlreichen Stiche aus früherer Zeit fortan kaum noch. Die ganze Qual umsonst! Der Aufsatz wurde die übliche knappe Vier.





Unter Bienen: Der Imker aus dem Rhododendronpark

Die Bienchen summsen, dass es eine wahre Freude ist und die Bremer Imker haben alle Hände voll zu tun. Für einen ist es mehr als ein zeitraubendes Hobby: Hartmut Schmidt-Uhlenkamp möchte vom Verkauf seines "Honigs aus Bremen" leben

TAZ, 20.07.2002 - von Eiken Bruhn

"Gefahrenzulage, hundertprozentige, mindestens", denke ich, als etwas an der Innenseite meines Oberschenkels immer höher krabbelt. Vor mir stehen 18 Bienenstöcke mit jeweils bis zu 60.000 Bienen. "Scheißvieh, runter da!", denkt es weiter, während ich hektisch an meiner Hose herumzuppele. Zu spät, aus Angst hat das Bienchen zugestochen. Sofort ist der Imker über mir und zieht den Stachel aus dem Fleisch. Biene tot, Wade dick, selbst schuld. Besuch bei einem Imker.

Bei Hartmut Schmidt-Uhlenkamp dagegen kann keine Biene in die Hose kriechen. Er trägt einen ehemals weißen, jetzt fleckigen Overall mit Bündchen an Armen und Beinen. Auf weitere Vorsichtsmaßnahmen verzichtet er. Durch den Schleier könne man nichts sehen und mit Handschuhen habe er zu wenig Fingerspitzengefühl, wehrt er ab. Das Gefühl in den Fingern braucht er aber, wenn er die Wabenrahmen hochnimmt, um zu kontrollieren, ob die Bienen noch genügend Platz haben.

Wenn nicht, dann ziehen sie neue Königinnen heran. Ein sicheres Zeichen dafür, dass sich die alte Königin darauf vorbereitet auszuschwärmen, um eine neue Behausung zu suchen. Just das aber will der Imker verhindern, weil dabei erstens auch die Hälfte der Bienen abhauen würde und zweitens "ein Volk in Schwärmlaune anderes im Kopf hat als arbeiten".

Mit einem Spachtel entfernt er also die Königinnenlarven, behutsam, damit er keine Biene versehentlich zerdrückt. Die meisten Imker machen das ohne Handschuhe, sagt er. Die werden zwar trotzdem jedes Mal gepiekst, aber das macht den meisten nichts mehr aus: der Stich schwillt oft nicht mal mehr an.

Ohnehin stechen die Bienen nur in absoluter Notwehr (siehe Hosenbein). "Sanftmut" ist neben Fleiß und einer gewissen Sesshaftigkeit das oberste Zuchtziel der Imker. "Das geht in der Stadt auch gar nicht anders", sagt Schmidt-Uhlenkamp, der seine 85 Bienenvölker über ganz Bremen verteilt hat. Der 45-Jährige ist Imker seit 1979, wie bereits sein Vater und Großvater, deren Bienen noch deutlich agressiver waren. "Da konnte man kaum über den Rasen laufen, schon hatte man sie in den Haaren sitzen", erinnert sich Schmidt-Uhlenkamp an die Zeiten, als sein Vater zwanzig Völker auf der Parzelle hielt - hobbymäßig.

Vom "Honiggeld hat mein Vater den Farbfernseher finanziert", sagt Schmidt-Uhlenkamp. Er will jetzt sein Hobby zum Beruf machen. Seine Kollegen vom Imkerverein "Bremen von 1875" sind allerdings skeptisch. "Keine Chance", befindet der Vorsitzende Dieter Rudolph. "In Deutschland gibt es keine Imkerei, die allein vom Verkauf ihres Honigs leben kann." Einige würden zusätzlichen Honig importieren müssen,andere haben noch ein zweites Standbein wie beispielsweise den Kartoffelanbau. Tatsächlich sind von 84.000 deutschen Imkern nur 2.500 als Berufsimker eingetragen.

In Bremen gibt es bisher nur Freizeitimker, rund 250, organisiert in drei Vereinen. Hauptberufliche Imker wandern aus anderen Regionen ein, etwa wenn die Linden an der Parkallee blühen, sagt der Bienensachverständige des Bremer Landesveterinäramtes, Friedrich Pohl. Er habe für jeden, der es in Bremen als Berufsimker versuchen will, großen Respekt, sagt Pohl, aber: "Das können Sie nur machen, wenn Sie bereit sind, sich selbst auszubeuten." Das Geschäft mit dem Honig sei zu zeitaufwendig und finanziell unsicher. Hinzu kommt das ungünstige Klima in Deutschland: Die Erntezeit ist auf die Monate Mai bis allerspätestens September - wenn die Heide verblüht - begrenzt, und "wenn es mal 14 Tage regnet, kann gar keine Ernte eingefahren werden", so Doris Kull vom Deutschen Imker Bund. Außerdem sei es in Deutschland sehr schwer sich auf dem Markt zu behaupten. Im Klartext: Honig heißt hier nur "Langnese".

Schmidt-Uhlenkamp probiert es trotzdem. "Hartnäckig" müsse man sein, glaubt er. Was solle er auch sonst machen als promovierter Mikrobiologe, der, wenn überhaupt, immer nur Zeitverträge bekommt? Vor fünf Jahren hatte Schmidt-Uhlenkamp davon endgültig die Nase voll und begann, seinen Bienenbestand zu vergrößern. 85 Völker hat er jetzt, 100 sollen es werden, damit sich der Aufwand lohnt. Die meisten hält er im Rhododendronpark und im Stadtwald, aber auch am Weserwehr, im Kleingarten seines Vaters und während der Rapsblüte in Mahndorf an der Autobahn.

Für viel mehr sei in Bremen auch gar nicht genügend Platz, findet der Vereinsvorsitzende Dieter Rudolph. "Am Ende kommen sich die Freizeit- und die Berufsimker ins Gehege." Jemand, der hier von der Imkerei leben wolle, müsse mit seinen Bienen der Blüte hinterher wandern - und das hieße auch ins Umland.

Schmidt-Uhlenkamp wohnt zwar selbst nicht mehr in Bremen, aber seine Bienen will er in Bremen halten. Muss er auch, wenn er seinen "Honig aus Bremen" mit gutem Gewissen verkaufen will. Das jedenfalls steht auf seinen Honiggläsern und auch auf dem Deckel klebt ein Etikett mit dem exakten Standort: "Weserwehr" zum Beispiel.

Bei den Vereinskollegen dagegen kommt diese Vermarktungsstrategie nicht so gut an, sagt Dieter Rudolph. Die nutzen wie die meisten deutschen Imker überwiegend die Gläser des Deutschen Imkerbundes, der mit strengen Kontrollen die hohe Qualität des heimischen Honigs garantieren will. Mit eigenen Gläsern könne man sich der Kontrolle leichter entziehen, sagt Rudolph. Außerdem seien die Imkerbund-Gläser bekannter - was auch höhere Preise rechtfertige.

Das Lokalkolorit ist aber genau das, weswegen die Leute am Wocheende während der Blütezeit Schmidt-Uhlenkamps Stand im Rhododendronpark ansteuern, glaubt er selbst. "Was anderes gibt es dort ja glücklicherweise nicht zu kaufen." Allerdings laufe das Geschäft nicht überall so gut wie im Park. Dort kleben ganze Ausflugsgruppen an seinem kleinen Wagen - wie Bienen, die nichts zu tun haben - und decken sich ein mit original Rhododendronpark-Lindenblütenhonig für vier Euro.

Wer nachfragt, für den oder die breitet Schmidt-Uhlenkamp bereitwillig sein Wissen über das Schwarmverhalten der Bienen aus oder darüber, was das Bürgerliche Gesetzbuch zur Bienenhaltung zu sagen hat. Und das sagt zum Beispiel, dass es völlig rechtens ist, wenn zufällig mal in Ihrem Garten ein Imker oder eine Imkerin herumspringen sollte, ohne Sie vorher um Erlaubnis gebeten zu haben. Jetzt ist nämlich Schwarmzeit und wenn sich so ein Bienenschwarm aus dem Staub gemacht hat und in Ihrem Apfelbaum darauf wartet, dass irgendeine Biene einen neuen Wohnort auftut, dann braucht der Imker nicht fragen, ob er seine Bienen wieder einsammeln darf. Und wenn kein Imker kommt, der Ihnen die kleinen Summsepuschel aus dem Baum klaubt: Umso besser! Selbst einfangen, Bienenstöcke kaufen und zur Imkerschulung beim Imkerverein Bremen von 1875 e. V. gehen!